Die Zwergscheibe

Hoření Paseky

In alter Zeit, als noch gewaltige Wälder die felsenreichen Abhänge des Polzentales bedeckten, als es daselbst noch kein zusammenhängendes Dorf, sondern kaum einzelne Hütten gab, herrschte in dieser Gegend der Zwergkönig Arnus. Sein Wohnsitz befand sich in der Zwergscheibe, einem Berge am linken Polzenufer. Schon in aller Frühe war das Zwergenvolk rege und tätig, besonders gern halfen sie den Knechten und Mägden, und wenn diese morgens auf die Felder kamen, so fanden sie, daß kaum noch die Hälfte ihrer Arbeit zu vollenden war; das Übrige war von den Zwergen bereits in den frühesten Morgenstunden aufgearbeitet worden. Ja, im Winter kamen die Zwerge sogar in die Häuser und Hütten, wo sie Späne schleißen, Brot backen und spinnen halfen. Fleißigen Spinnerinnen waren sie besonders zugetan. Sie saßen dann mit ihren winzigen Spinnrädern auf den Stangen und Balken oberhalb des Ofens, und es gab wohl ein lautes Klagen und Wimmern, wenn das kleine Spinnrad auf den runden Stangen nicht stehen bleiben wollte. War aber alles aufgestellt und hergerichtet, dann ging die Arbeit rasch von statten und lustig schwirrte das Spinnrad. Auch hörte man manchmal von den Zwergen ein leises Singen. das so hell und rein klang wie silberne Glöcklein.

Es geschah aber, daß böse und faule Knechte die guten Zwerge in ihrer Wohltätigkeit störten, indem sie mit ihren Kienspänen so kräftig an die Ofenstangen schlugen, daß Zwerg und Spinnrad herunterfielen. Da gab es ein Geklapper und eine Flucht! Einige nahmen in der Eile ihren Weg durch die Schlüssellöcher, andere aber durch die Fensterspalten, bis sich alle glücklich hinausgeholfen hatten. Seit jener Zeit haben sie sich aber in den Spinnstuben nicht mehr sehen lassen. Später wurden die Wälder im Bolzentale immer mehr ausgerodet, und gerade zu dieser Zeit starb König Arnus. Er wurde am Felsen Engelstein unter einer Steingruppe begraben, und alsdann haben die Zwerge das Polzental gänzlich verlassen.

Quelle: Anton Paudler Sagenschatz der Deutschböhmen

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